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Reihe: 'Hinter den Kulissen unserer Welt' ONLINE LESEN
Band 6: Philosophie des Lebens - Im Alltag zurechtfinden

Das hier zum Lesen freigegebene Buch ist in allen Buchhandlungen erhältlich
ISBN 9783751921947


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Kapitel 10.4.: Wahre Liebe oder sexuelle Anziehung? (Glück, Liebe, Freundschaft und so weiter)

Der Grad einer anfänglichen Zuneigung, einer Affinität zu einem anderen Menschen, ändert sich nicht. Weder durch die Höhen und Tiefen der Ehe, noch durch Alter oder die Beziehung betreffende Ereignisse wird er beeinflusst. Jeder, der eine Scheidung hinter sich hat oder gar körperlicher Gewalt ausgesetzt war, mag widersprechen. Doch ist es immer noch derselbe Mensch, den man dereinst attraktiv fand und zum Lieblingsmenschen erklärte. Entweder hat man früher Eigenschaften, die heute nicht mehr akzeptiert werden, aus der Wahrnehmung herausgefiltert. Oder sie sind nicht vorhanden, dafür leistet angesammelter Alltagsgroll ganze Arbeit.

Wahre Liebe - und nicht die oberflächliche Verliebtheit oder sexuelle Anziehung - beinhaltet zwei Übereinstimmungen: Eine innere Übereinstimmung in Weltsicht, Denkweise und Habitus sowie eine weitere in der Schwingungsfrequenz der persönlichen Selbsts. Und diese Faktoren sind relativ konstant. Relativ deswegen, weil der Schwingungsfrequenz-Bereich eines Wachbewusstseins im Laufe des Lebens Veränderungen durch spirituelle Erkenntnisgewinne und -verluste unterworfen ist.

Somit ist die Liebe im Gegensatz zur spontanen Anziehung tatsächlich innerhalb einer gewissen Schwankungsbreite relativ. Die recht flüchtige sexuelle oder auf Verliebtheit gegründete Anziehung kann durch wenige Einflüsse völlig entschwinden. Denn ihre Akzeptanz basiert auf nur einer fokussierten Eigenschaft der affizierten Person. Erweist sich der Rest als inakzeptabel, ist es mit der Verliebtheit oder Anziehung schnell vorbei.

Bekommt eine tiefe Beziehung - gleich ob Freundschaft oder Liebe - Probleme, verabschiedet sich die Spontanität im Umgang, so dass die Kommunikation in einem stark ritualisierten Kontakt einfriert. Oder ihr Ausdruck ist in langen Beziehungen durch alten Groll behindert. Die emotionale Zugewandtheit fehlt fortan. Die ursprüngliche Affinität zum anderen ändert sich jedoch nicht. Wir können nur unsere Entscheidung für ihn revidieren und uns auf andere Menschen fokussieren. So kommt es, dass seit langer Zeit geschiedene Ehepaare bei einem Wiedersehen durchaus die alte Anziehung spüren können.

Wir mögen uns durch einen Menschen in jungen Jahren stärker angezogen fühlen als im Alter - dies ist nur auf die in der Jugend oft höhere physische Attraktivität zurückzuführen. Die körperliche Anziehung ist jedoch kein Äquivalent der Liebe. Als Ausdruck der Sexualität initiiert sie nur Beziehungen, indem sie den Anstoß gibt, auf den Menschen zuzugehen.

Nach der ersten inneren Abstimmung der Beteiligten dämmern dem nach außen gerichteten Wachbewusstsein die verschiedenen Möglichkeiten, mit diesem Menschen eine Beziehung zu leben. Erst jetzt schaut es sich den anderen genauer an. Das innere Selbst hat dann schon alle wahrscheinlichen Verläufe auf Brauchbarkeit abgeklopft und den einen oder anderen akzeptiert. Wahre Liebe gründet also auf einer geistigen Verbindung der nach innen gerichteten Persönlichkeiten über innere Sinne - und nicht auf Entscheidungen der involvierten äußeren Wachbewusstseine. Denn deren Egos wissen ohnehin nur selten, was sie wollen. Heute wollen sie dies und morgen das. Wer also einen Partner mit dominierenden, kaum kontrollierten Ego sein eigen nennt, könnte dies an einem Mangel an Verlässlichkeit festmachen.

Wenn wir uns dann extrem zu einem Menschen hingezogen fühlen, den wir zunächst äußerlich gar nicht attraktiv fanden, dann ist es Liebe, die wahre geistige Sehnsucht. Wir sehnen uns in ihr nach einem tieferen seelischen Kontakt. In der äußerlichen physischen Anziehung sehnen wir uns auch, jedoch nach vergänglichen äußeren Attributen. Sind diese mit den Jahren perdu, ist es mit der Anziehung auch vorbei.

Man sollte seinen potentiellen Partner also auch mögen und gerne mit ihnen zusammen sein. Man sollte sich wohlfühlen, wenn er redet und mit der Art, wie er sich in seinen unvermeidlichen Eigenarten gibt. Man sollte die Art mögen, wie er isst und wie er wütet und streitet. Ihn in all seinen Facetten zu akzeptieren beinhaltet schon ein hohes Maß an wahrer Liebe.

Hüten sollte man sich davor, das Begehren äußerer Attribute mit Liebe zu verwechseln. Manches Mal braucht es ein halbes Leben, bis wir das erste Mal lieben. Aber wer will schon solange warten. Also gehen wir vom Verstand sortierte Verbindungen ein und nennen es dann Liebe, schon um die Entscheidung vor uns selbst zu rechtfertigen. Bis sie uns begegnet und wir wie vom Donner gerührt nur noch innehalten und staunend dem inneren Selbst bei der Abstimmung wie durch eine Milchglasscheibe zuschauen.

Hüten sollte man sich auch vor der Verehrung des Partners, ihn auf einen Sockel zu stellen. Das beinhaltete eine Geringschätzung der eigenen Person. Auch nähme es dem Partner die Luft zum Atmen. Denn der Verehrende ließe einen Streit nicht zu, deckte alle Differenzen zu unter einem klebrig süßen Mantel gespielter Harmonie. So wäre dies keine echte, auf beider Empfinden und Bedürfnisse beruhende Harmonie. Ein lebenslanges Zusammensein ohne Differenzen gibt es ohnehin nicht.

Spannungen und damit Streit müssen also zugelassen und gelebt und in gemeinsamen Auseinandersetzungen aufgelöst werden. Ansonsten könnten die Partner sich im anderen nicht spiegeln, könnten beispielsweise schlechte Launen nicht ausleben, weil der Andere zum einen seine eigenen ungesund unterdrückt, zum anderen bei denen des Partners nicht mitspielt und stets gleichbleibend freundlich reagiert. So werden die Gefühle des Missgestimmten ignoriert und jede Möglichkeit erstickt, die natürliche Aggression in einem Prozess der Auseinandersetzung mit sich und dem Problem abzubauen. Denn die Auseinandersetzung fände nicht statt, gleichwohl als ob der Andere im Koma läge und ein gemeinsames Lösen des Problems daher nicht möglich ist.

Als Folge einer solchen langjährigen Verstellung stellt der Auseinandersetzungen vermeidende Partner die Beziehung oder gar sich selbst in Frage, wenn dann irgendwann ein nicht ignorierbares Problem auftritt - beispielsweise die Vermutung der Untreue. Denn die Beteiligten haben kein Handwerkszeug erprobt, mit dem sie Konflikte lösen könnten. Solange es jedoch ignoriert werden kann, wird ein solcher Partner die Auseinandersetzung scheuen, den Kopf in den Sand stecken und sein Problem nach außen auf andere Menschen projizieren. Gelingt ihm das nicht mehr, führt jede Abweichung von der erstickenden Harmonie zu unsachlichen, emotionalen und existentiellen1 Diskussionen und endet nicht selten in dramatischen Situationen wie der Androhung einer Selbsttötung durch den nicht streiten Könnenden. Oder in einen anders gestalteten Versuch der Trennung - beispielsweise einem in Unüberlegtheit und Wut durchgeführten, überhasteten Auszug.

Zu diesen Extremen kommt es, weil der Harmoniesüchtige unter seinem Verhalten leidet. Er kann seine Spannungen und Differenzen nicht abbauen und damit beseitigen. Sie summieren sich - und entladen sich im Falle eines nicht zu ignorierenden Konflikts letztlich doch, erzwingen eine Abarbeitung. So haben also diejenigen Paare die größten Überlebenschancen, die gemeinsam - nicht einseitig - miteinander streiten können und wollen, die eine Streitkultur entwickelt haben und den anderen auch im Streit noch mögen. Dazu braucht es jedoch auf beiden Seiten ein stabiles Selbstbewusstsein.

Das seiner selbst nicht sichere Bewusstsein des Klammernden lässt derartige Auseinandersetzungen nicht zu, spürt latente Angst vor dem Versiegen der Liebe oder der Anziehung und einer sich daraus ergebenden Auflösung der Beziehung. Das Klammern aus Angst vor dem Verlust des Partners kann ein überwältigendes Gefühl der Liebe vortäuschen, doch ist in einer längerfristig angelegten Beziehung weniger derartige Leidenschaft mehr, das beschriebene Mögen, das Befürworten des anderen in all seinen Stimmungen und Facetten das Wichtigste.

Die Sehnsucht einer starken äußeren Anziehung verblasst mit den Jahren, unterliegt einem unausweichlichen Wandel. Wenn dann kein darüber hinausgehendes Mögen, keine Liebe aller Facetten des anderen vorhanden ist, ist da letztlich nichts, was innerlich verbindet. Das anfängliche Glück einer Partnerschaft kann sich zudem nur dann immer wieder selbst erzeugen, wenn man Missstimmungen zulässt und auslebt, nicht harmoniesüchtig ist und sich vom Festklammern an eine idealisierte Vorstellung von Glück löst.

Fazit: Die Liebe ist niemals relativ, sondern vom ersten Moment an absolut, aber die Anziehung ist immer relativ - stimmungs-, alkohol- und Outfit-abhängig. Darum können wir auch eine Liebe nicht zerstören, weder durch eintretende physische Mängel noch durch nachteiliges Verhalten wie Albernheit, unmögliches Benehmen oder Entgleisungen jeder Art. Liebe kann sich jedoch für eine Weile in Wut äußern. Die Liebe ist dabei unverändert vorhanden, aus Enttäuschung oder einem verletzten Ego werden die Gefühle jedoch nicht in Zuneigung, sondern in Abneigung ausgedrückt. Liebe und Hass sind Geschwister und nutzen dieselbe tiefe Fokussierung und Anziehung.

So könnten wir uns in einer Beziehung wie ein Idiot benehmen, die geistige Liebe aber tangiert das nicht. Die physische Anziehung schon. Wohl dem, der unterscheiden kann, zwischen Liebe und äußerer sexueller Anziehung, zwischen Geist und Erscheinung. Liebe basiert auf inneren Abstimmungen über die inneren Sinne - sie ist eine innere Affinität auf der nicht-physischen Bewusstseins-Ebene. Sexuelle Anziehung ist eine Sache der äußeren Sinne, eine äußere Affinität auf der Ebene der physischen Projektionen ohne Wert an sich. Somit ist Liebe dauerhaft, die auf äußerlichen Attributen basierende Anziehung dagegen eine vergängliche temporäre Erscheinung, die spätestens mit dem Ableben obsolet2 ist.

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