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Reihe: 'Hinter den Kulissen unserer Welt' ONLINE LESEN
Band 6: Philosophie des Lebens - Im Alltag zurechtfinden

Das hier zum Lesen freigegebene Buch ist in allen Buchhandlungen erhältlich
ISBN 9783751921947


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Kapitel 6.8.: Das Genie als 'best of both' (Spirituelle versus verstandesmäßige Intelligenz)

Unsere Alltagskämpfe sind niemals trivial - gleichgültig, wie banal die Herausforderungen eines Menschen von außen betrachtet erscheinen mögen. Dieser arbeitet genauso konzentriert an seinen spirituellen Defiziten wie jeder andere Mensch. Nur macht dies der eine im Kanzleramt, der andere als Hausfrau oder Hausmann. Sofern der Zeitgeist letzteres noch billigt. Wir können von Glück sagen, dass wir uns dennoch mit einer physisch projizierten Existenz identifizieren mögen, weil wir sonst diese Schule nicht besuchen könnten.

Doch geht vermehrte spirituelle Informiertheit mit zunehmender Distanzierung vom irdischen Leben einher. Kommt auch noch eine hohe verstandesmäßige Intelligenz hinzu, gibt diese dem Intellekt Raum für weitreichende Reflexionen. Beides zusammen mündet in mehr nach innen gerichteten Aktivitäten. Dies bedeutet, in dieser Welt der Erscheinungen des Willens lebensuntauglich geworden zu sein oder wenigstens im letzten Durchgang die Einsamkeit des Philosophen zu leben, wie Schopenhauer es einmal sagte, allein auf einen Gipfel sitzend, dem bunten Treiben der Masse ohne persönliches Interesse zusehend.

Bestenfalls hat dieser noch das Interesse eines Lehrers, der seine Kinder auf einen guten Weg zu führen versucht. Doch wird der spirituell Hochstehende von weniger informierten Zeitgenossen zeitlebens für einen Trottel gehalten - die Weltsichten und Charaktere sind zu verschieden und inkompatibel, denn da ist auf der einen Seite der Fokus auf die innere geistige Welt gerichtet, auf der anderen auf die äußeren Kulissen, welche jedoch nur Ausdruck des Geistigen und in diesem enthalten sind.

Der Philosoph hangelt sich im hohen Stadium spiritueller Erkenntnis bewusst von Lebensaufgabe zu Lebensaufgabe, von Herausforderung zu Herausforderung, und bewältigt eine jede gründlich, weil außer der Sorge um den Lebensunterhalt kaum etwas ihn ablenkt. Er ist - um ein weiteres Bild zu benutzen - in der traurigen Position eines Zirkusdirektors, der Tag für Tag seinen Vorstellungen beiwohnen muss, ohne ihnen noch etwas abzugewinnen. Er kennt sie in- und auswendig. Er bewertet und analysiert, ohne sich von dem Geschehen emotional vereinnahmen zu lassen.

Aber warum findet der spirituell Hochinformierte keine Befriedigung im Wünschen und dessen Erfüllung? Weil er spürt, dass jede Erfüllung von Wünschen, wie Schopenhauer es sagte, ein negatives Glück ist, nur der Ausgleich eines zuvor gespürten Mangels; somit ist die Erfüllung eine Notwendigkeit und kein Geschenk. Und weil er dieses durchschaut, überlegt er gut, wo er seinem Willen Freiraum gibt und in welchem Umfang.

Selbst Kinder mit hoher verstandesmäßiger und spiritueller Intelligenz und gutem Kontakt zu ihrem inneren Selbst agieren so. Auch sie sind auf einem Berg, isoliert, allein, doch ohne gelernt zu haben, sich damit zu arrangieren. Aber sie fühlen schon ihre besondere Position und überblicken das oft absurde, von dominierenden Willen getriebene Treiben anderer Kinder wie auch Erwachsener. Traurige Kinder sind oft spirituell und verstandesmäßig kluge Kinder, die auf außergewöhnliche Weise ihre inneren Sinne nutzen. Sie sind umso trauriger, als sie in einem unpassenden Umfeld leben.

Trifft also in diesen seltenen Fällen eine hohe spirituelle Intelligenz auf eine hohe verstandesmäßige Intelligenz, haben wir eine besondere Disposition zum Schaffen großer Werke. Denn die hohe spirituelle Informiertheit beinhaltet eine vom Ego nicht beeinträchtigte Nutzung der inneren Sinne, welche den Reichtum des inneren Selbst dem Wachbewusstsein erst zugänglich macht.

Betrachten wir andere Gattungen, dann vermeinen wir, dass es beispielsweise Pflanzen, Einzellern und Insekten kaum möglich sein dürfte, aus ihrer physischen Existenz spirituelle Erkenntnisse zu ziehen. Roberts (Seth) weist uns jedoch schlüssig darauf hin, dass auch hinter der einfachsten Lebensform ein großer Geist steht - jeder physische Körper wird jedoch über präzise umrissene Eigenschaften eines äußeren Bewusstseins geführt. So sind das Insekt, die Pflanze und der Einzeller wie auch der Mensch mehr als ihr äußeres, an den physischen Körper angepasstes Bewusstsein. Der Unterschied zwischen allen Gattungen besteht jedoch in der Anzahl der Informationen, welche vom Gesamt-Selbst einschließlich der Wesenheit verarbeitet werden können (vgl. Bd.2). Dennoch ist jedes Selbst absolut gleichwertig, Es fehlt vielen physischen Erscheinungen jedoch die Möglichkeit zum Ausdruck von Emotionen, so wie es die Gattung Mensch vermag [Lit 210]. Hieraus mag tumben Menschen der Eindruck entstehen, da sei nichts.

Die relativ hohe verstandesmäßige Intelligenz des Menschen im Vergleich zu vielen anderen physischen Lebensformen ist durchaus kein Alleinstellungsmerkmal. Manche Tiergattungen wie Schweine und Delphine sind sehr klug - sie spielen in unserer Sphäre (Sh. Ahg. 1) nur nicht die erste Geige. In anderen Sphären unseres Planeten sind andere Gattungen dominierend, nach Roberts auch zumindest eine Vogelart.

Doch unsere heutigen Wissenschaften sehen dies anders. Nach ihrer Auffassung basieren die Fähigkeiten der Spezies Mensch und seiner direkten Vorfahren auf seiner biologisch-evolutionären Entwicklung. Der Mensch sei von Körperbau und physischer Ausstattung her betrachtet kaum überlebensfähig. Er würde in der Jagd kaum einmal ein Tier einholen, geschweige ohne Hilfsmittel erlegen können. Desgleichen wäre er in nahezu allen Breitengraden dem Kältetod ausgeliefert, würde nicht sein Intellekt ausreichen, um ihn mit schützender Kleidung und einer Behausung sowie Wärme zu versorgen. Hätte sich sein den Intellekt bedingendes Gehirn also im Laufe der 'Evolution' nicht höher entwickelt, gäbe es den Menschen nach Auffassung heutiger Wissenschaft nicht mehr.

Das ist eine kausal durchaus nachvollziehbare Argumentationskette. Nur gibt es - wie an anderer Stelle ausgeführt - keine derartige biologisch-evolutionäre Entwicklung. Alles Seiende unserer Sphäre war von Anbeginn biologisch fertig entwickelt und trat aus traumähnlichen geistigen Vorstufen heraus ins Physische. Genauer ausgedrückt, waren an einem Punkt des kollektiven Vorstellens die kollektiven Projektionen einer Gattung ausreichend energiereich und fokussiert, um in einem Symmetriebruch1 physisch zu werden. Gattungen träumen sich ins Physische. Ihre Projektionen wechseln einfach von geistigen zu physischen. Alle gewesenen und künftig noch auftretenden Gattungen aller Sphären sind schon von deren Beginn an fertig entwickelt und treten bei passenden Lebensbedingungen erstmalig oder zum wiederholten Male physisch auf.

Es gibt aber tatsächlich eine Evolution. Diese ist jedoch eine geistige Entwicklung von geringer spiritueller Informiertheit zu hoher spiritueller Informiertheit. Damit einher geht die wachsende Fähigkeit der Individuen, geistige Energien zu manipulieren und in komplexe Muster zu verwandeln, die dann als erstarrte Gedankenkonstruktionen physisch erscheinen. [Lit 210]

Doch zurück zum Thema. Manche Menschen mit sehr kontrolliertem Willen verfügen also über einen deutlichen Überschuss des Intellekts, welcher ihnen Freiraum bietet, auch nicht alltagsbezogene Themen zu reflektieren. Um beständig beschäftigt zu sein, reflektiert der Intellekt auch vom Willen des Egos unabhängig, wann immer dieser ihm Freiraum lässt. Er ist dann vom bloßen Dienen des Willens frei. Er stellt sich infolge existentielle Fragen wie beispielsweise: 'Wie hängt das zusammen? Woher kommen wir? Welchen Sinn hat die Existenz?'

"Genie ist Besonnenheit", sagte auch der deutsche Dichter und Schriftsteller Jean Paul, und David Cohen ergänzt:

"Wahre Genies erkennt man auch an ihrer Motivation: Anders als andere Leute reagieren sie nicht auf normale Anreize wie Geld oder Anerkennung, sondern finden die Aufgabe selbst lohnend. Das ist auch gut so, denn ihr Werk stellt oft orthodoxe Lehrmeinungen und etablierte Paradigmen in Frage; daher wird es vom intellektuellem Establishment ignoriert oder lächerlich gemacht und sein Wert oft erst im Nachhinein erkannt und anerkannt."

Aber schon jede nicht materiellen Nutzen bringende, intensive Beschäftigung mit schönen Künsten oder der Musik ist nach Schopenhauer Ausdruck eines bei den Menschen seltenen, übermäßigen Intellektes. Doch die Werke dieser Menschen kämen stets zu früh und seien daher für andere, welche ohne diesen Überschuss auskommen müssen und bestenfalls mit bloßen Talenten ausgestattet sind, unverständlich. Er beschreibt dies mittels der folgenden Analogie in den 'Schriften über Musik':

"Das Talent gleicht dem Schützen, der ein Ziel trifft, welches die übrigen nicht erreichen können; das Genie dem, der eines trifft, bis zu welchem sie nicht einmal zu sehen vermögen [...] Genialität ist Objektivität. Die reine Objektivität und Deutlichkeit, mit welcher die Dinge sich in der Anschauung [...] darstellen, steht [...] im umgekehrten Verhältnis des Anteils, den der Wille an denselben Dingen nimmt, und willenloses Erkennen ist die Bedingung." [Lit 8]

Hier haben wir sie wieder - die Kontrolle des Willens als Vorbedingung zum Erkennen innerer Wahrheiten über den Transportweg der inneren Sinne, die wir dann in Musik, in Kunstwerke oder Schriften umwandeln. Für tiefer gehende Betrachtungen empfiehlt sich die Lektüre seines dritten Buches, Kapitel 31 'Vom Genie', woraus der obige Auszug entliehen ist.

Doch auch Genies stehen oft auf den Schultern ihrer Vordenker, können durchaus ähnliche Werke hervorbringen. Sie werden jeweils und immer in ihrem Fachgebiet ihrer Zeit voraus sein - gleichgültig, in welches Zeitalter sie hineingeboren sind. Sie sind im gewissen Sinne inkompatibel zu ihrer Zeit und ihren Zeitgenossen, sind diesen voraus und werden oft erst von nachfolgenden Generationen anerkannt. Ein Kant, ein Schopenhauer, ein Epiktet steht über dem Treiben seiner Zeitgenossen, weil er es reflektiert, durchschaut und an Vielem Anstoß nimmt. Und folglich nicht mehr ernsthaft mitzuspielen in der Lage ist.

Nach einer angenommenen Zeitreise in das ihm angemessene Zeitalter wäre seine Sicht der Welt nur für den ersten Moment der Sicht der Masse angeglichen - denn das Genie würde sich nach kurzer Zeit wiederum auf die Schultern der großen Vordenker dieser Zeit stellen und damit einmal mehr allen voraus sein, weil es daran gewöhnt ist, zu zweifeln und zu fragen. Wer nun annimmt, es sei stets nur von Vorteil, sich in einer solchen geistigen Disposition zu befinden, bedenke auch die von Schopenhauer angeführten, mit dem Genie stets einhergehenden fünf Nachteile. Weil man nur zu leicht darüber hinwegsehen kann, zitiere ich ihn etwas ausführlicher:

"Sein Intellekt wird überhaupt die Fehler zeigen, die bei jedem Werkzeug, welches zu dem, wozu es nicht gemacht ist, gebraucht wird, nicht auszubleiben pflegen. Zunächst würde er gleichsam der Diener zweier Herren sein, indem er bei jeder Gelegenheit sich von dem seiner Bestimmung entsprechenden Dienste losmacht, um seinen eigenen Zwecken nachzugehen, wodurch er den Willen oft sehr zur Unzeit im Stich lässt und hiernach das so begabte Individuum für das Leben mehr oder weniger unbrauchbar wird, ja in seinem Betragen bisweilen an den Wahnsinn erinnert [...]

Aber wann nun wieder gelegentlich jene ganze abnorm erhöhte Erkenntniskraft sich plötzlich mit all ihrer Energie auf die Angelegenheiten und Miseren des Willens richtet; so wird sie diese leicht zu lebhaft auffassen, alles in zu grellen Farben, zu hellem Lichte und ins Ungeheure vergrößert erblicken, wodurch das Individuum auf lauter Extreme verfällt [...]

Ebendiese große und gewaltsame Konzentration, die zu den Privilegien des Genies gehört, trifft nun für dasselbe bisweilen auch bei den Gegenständen der Wirklichkeit und den Angelegenheiten des täglichen Lebens ein, welche alsdann, unter einen solchen Fokus gebracht, eine so monströse Vergrößerung erhalten, dass sie sich darstellen wie der im Sonnenmikroskop die Statur des Elefanten annehmende Floh. Heraus entsteht es, dass hochbegabte Individuen bisweilen über Kleinigkeiten in heftige Affekte der verschiedensten Art geraten, die den andern unbegreiflich sind, als welche sie in Trauer, Freude, Sorge, Furcht, Zorn usw. versetzt sehen durch Dinge, bei welchen ein Alltagsmensch ganz gelassen bliebe [...]

Zu den angegebenen Nachteilen gesellt sich nun noch die übergroßer Sensibilität [...] Aus all diesem entspringt sehr leicht jene Überspanntheit der Stimmung, jene Heftigkeit der Affekte, jener schneller Wechsel der Laune unter vorherrschender Melancholie [...]

Zu diesem allen kommt noch, dass das Genie wesentlich einsam lebt. Es ist zu selten, als dass es leicht auf seinesgleichen treffen könnte, und zu verschieden von den übrigen, um ihr Geselle zu sein [...] Daher [...] ist jener nicht [...] zur Konversation mit den anderen geeignet: sie werden an ihm und seiner drückenden Überlegenheit so wenig Freude haben wie er an ihnen. Sie werden sich behaglicher mit ihresgleichen fühlen und er wird die Unterhaltung mit seinesgleichen, obschon sie in der Regel nur durch ihre nachgelassenen Werke möglich ist, vorziehen [...]

Aus diesem allen ergibt sich, dass, wenngleich das Genie den damit Begabten in den Stunden, wo er, ihm hingegeben, ungehindert im Genuss desselben schwelgt, hoch beglücken mag; dasselbe jedoch keineswegs geeignet ist, ihm einen glücklichen Lebenslauf zu bereiten, vielmehr das Gegenteil." [Lit 115]

Soweit Schopenhauer. Ein weiteres Handicap des Genies zeigt Wickland auf. Nach seiner Auffassung geht mit der Genialität stets eine mediale Offenheit einher, welche es verstorbenen Identitäten der ungemütlichen unteren Ebenen der geistigen Zwischenschicht leicht macht, auf sie Einfluss zu nehmen. Diese mediale Offenheit geht einher mit einem sehr guten Draht zum inneren Selbst - das Genie nutzt seine inneren Sinne ebenso bewusst und selbstverständlich wie seine äußeren. So ist es mehr als andere gefordert, Einflüsse zu akzeptieren oder zu verbieten. Hierbei unterstützt ihn sein Geist der Wesenheit.

"Genie wird nicht von Genie geboren", sagt Schopenhauer. Nach Roberts ist diese seltene Verbindung einer hohen verstandesmäßigen Intelligenz mit hoher spirituellen Intelligenz ein Indiz für eine Ausgleichsübung zwischen dem 'übermäßig gewissenhaften Selbst' und dem 'spontanen Selbst' im letzten Lebenszyklus (vgl. Bd. zero)

Die Masse der Menschen schenkt jedoch dem Spiel mit Emotionen zu viel Aufmerksamkeit - teils, weil es von ihnen erwartet wird, teils, weil das Interesse für die innere Welt noch nicht geweckt ist und die Langweile der Muße nur durch fortlaufende intensive Beschäftigung mit emotionalen Zerstreuungen verdrängt wird. Doch oft spüren diese Menschen mit der Zeit eine innere Leere, welche sich nicht durch den täglichen Schnickschnack verdrängen lässt und geraten in Lebenskrisen, denen sie nur mit einer Hinwendung zu ihrem inneren Selbst entkommen. Die Pfade dorthin sind die innere Sinne.

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