In früheren Ausgaben dieses Band 3 gab ich Hinweise auf eine Ansprache an den Sterbenden, die entweder gesprochen oder über die innere Kommunikation der inneren Sinne vermittelt werden könnte. Diese Hinweise zum Umgang mit Sterbenden basierten auf dem Tibetischen Totenbuch, Platon [Lit 33, 'Phaidon'] und Ingrisch. Ich habe meine Auffassung hierzu geändert und lehne derartige Beeinflussungen heute entschieden ab.
Solche Kommunikationen funktionieren durchaus zuverlässig - ohnehin finden unzählige Abstimmungen zwischen allem Seienden und nicht nur zwischen Menschen, die sich kennen, telepathisch statt. Sie funktionieren ebenso zuverlässig posthum. Wenn wir nun Einfluss auf den Sterbenden nehmen, um ihm zu helfen oder weil wir ihn in unserer Verzweiflung nicht loslassen wollen, behindern wir jedoch seinen Übergang erheblich. Wenn er stirbt und an ihm derart gezerrt wird, kann er sich nicht auf die dringend erforderliche Zuwendung zum inneren Selbst konzentrieren. Denn das äußere Wachbewusstsein muss loslassen, seinen Widerstand aufgeben und im Idealfall sein nach innen gerichtetes Wachbewusstsein - das sogenannte Traumselbst - fokussieren und mit diesem Kooperieren. Erreichen ihn nun ständig wohlgemeinte oder verzweifelte Gedanken, wird er hiervon abgelenkt.
Derartige Ablenkungen führen dazu, dass der Sterbende sich nur schwer löst. Infolge bleibt mehr Bewusstseinsenergie als sinnvoll bei den Hinterbliebenen. Was sich gut anhört, hat für den Betroffenen jedoch fatale Auswirkungen: Er kann nicht vollständig in sein Gesamt-Selbst aufgehen, was seine Entwicklung behindert.
Der Sterbende wie auch der Verstorbene befinden sich nach Roberts (Seth) zunächst in einem Zustand neutraler und relativer Passivität, in der seine verschiedenen Teile wieder zusammenfinden. Erst, wenn das ehemals äußere Wachbewusstsein mit diesen inneren Teilen zu interagieren anfängt, gewinnt es Energie und weitet es sich aus, beschleunigt sich gleichsam und kann hierüber eine neues ideales Aktivitätsfeld erreichen.Solange am äußeren Wachbewusstsein gezerrt wird, wird das entweder nichts oder dauert erheblich länger. Dann ist der Zug zur inneren Vereinigung jedoch irgendwann abgefahren und der Verstorbene ist weder vereint, noch an idealer Position angekommen. [Lit 212]
Es ist also nicht anzustreben, mit dem Betroffenen in irgend einer Weise zu kommunizieren außer über selbstlose liebevolle Zuwendung. Der Betroffene muss jetzt seine Bezugspunkte zeitnah wechseln, sonst hat er ein Problem. Roberts sagt dazu:
"Die [A.d.V.: sterbende] Persönlichkeit ist bereits in eine dimensionale Umwandlung versunken, wenn das emotionale Bedürfnis jener, die sich auf der physischen Ebene befinden, nach Kommunikation ruft, verstärken sie den Rücksog oder die Anziehungskraft, die noch immer vorhanden ist, binden so Teile der Persönlichkeit an das physische Feld und können auf diese Weise den Widerstand vergrößern, dem Persönlichkeiten, die sich in der Umwandlungsphase befinden, begegnen. Dies kann eine [...] Persönlichkeit verwirren und ihr die Orientierung nehmen. Sozusagen später, wenn der Zugang zu einer anderen und höheren Dimension erlangt worden ist, kann eine Persönlichkeit einer solch höheren Dimension ohne derartige Schwierigkeiten mit eurem Feld kommunizieren." [Lit 212]
C.G. Jung berichtete in seinem Spätwerk von seiner Nahtoderfahrung, in der sein Freund und Arzt mit ihm auf Drängen der Familie auf Wiederbelebung mental Kontakt aufnahm und ihn so zurückholte. Das war eine zwar verständliche, aber dennoch höchst eigensüchtige Aktion. Wäre Jung nicht zurückgekommen, hätte dies seinen Fortgang in der geistigen Welt gestört. Aber aucxh im Physischen fühlte er sich nicht mehr Zuhause. Er brauchte Jahre, um unsere Kistchenwelt wieder zu akzeptieren und mitzuspielen; Jahre, um wieder zu der Auffassung zu gelangen, unsere Spiele, unser Wollen und Wünschen hätten irgendeinen Sinn. Ich rate dringend von solchen egoistischen Aktionen ab.
Sterbende muss man gehen lassen. Niemand stirbt, der sich nicht an dieser Stelle für einen Ausstieg entschieden hat. Wir gehen in unseren Leben unablässig an unzähligen kleinen Toden vorbei, ohne sie zu akzeptieren. Wir erkranken gelegentlich schwer und gesunden, ohne dass das äußere Wachbewusstsein dies und die steuernden Emotionen und die sich aus diesen ergebenden Erwartungen überhaupt mitkriegt. Wenn wir uns denn für eine Ausstiegsmöglichkeit entscheiden, ist das vom Umfeld zu akzeptieren, deren Gefühle hin oder her. Punkt.
Aber was können wohlwollende Angehörige tun, um den Übergang zu erleichtern. Sei heller, sagte Ingrischs verstorbener Ehemann zu ihr und meinte, denke nicht mit traurigen, düsteren Gedanken an mich. Jeder freundliche liebevolle Gedanke ist hilfreich, sofern er nicht die Intention hat, den Sterbenden oder Verstorbenen an sich zu binden. Ideal wäre eine große innere Heiterkeit in den Angehörigen, die sich noch einmal die schönsten gemeinsamen Momente vergegenwärtigen und den Sterbenden danach mental loslassen.
Dieses Loslassen hat gar nichts mit Abwendung oder Liebesentzug zu tun. Sie werden weiterhin mit den vor ihnen Gegangenen unverändert verbunden sein. Nur Sie lassen ihn temporär für wenige Monate in Ruhe, damit derjenige seine neue Orientierung ungestört finden kann. So können Sie sehr viel tun, freuen Sie sich mit dem Verstorbenen, dass Sie einen Lebenszyklus zusammen beschreiten durften, dass sie beide sich einst fanden und nahestanden. Seien Sie darüber froh, mit einem lachenden und einen weinenden Auge. Aber Ihre innere Heiterkeit sollte deutlich überwiegen.
Was Sie noch tun können. Ernsthafte fokussierte Gebete (Def. Bd.5) sind wirkungsvoll. Richten Sie ein solches an das eigene innere Selbst - oder an 'Gott', wenn Ihnen das vertrauter ist - aber nicht an den Sterbenden. Und bitten Sie Ihr inneres Selbst um Unterstützung für den Nahestehenden. Das funktioniert. Und einmal ernsthaft vorgetragen muss es auch nicht mantraartig wiederholt werden.
An Gott gerichtete Gebete sind ebenso wirksam, weil es zum einen unerheblich ist, an wen sie gerichtet werden. Zum anderen würde eine präzisere Formulierung bei vielen Menschen zu Irritationen führen. Denn wir sahen im zweiten Band, dass jegliche Unterstützung durch das innere Selbst - dem Geist der Wesenheit der Energieschicht III - koordiniert und vom Traumselbst oder anderen geistigen Helfern der beiden höchsten Energieebenen der geistigen Zwischenschicht II ausgeführt wird. Durch falsche Vorstellungen über den Adressaten von Gebeten wird deren Wirkung nicht beeinträchtigt.
Wenn es also schon ein Mantra sein muss, könnte es lauten: 'Ich mache meinen Geist leicht und hell.'
Sei also im Umgang mit Sterbenden gefestigt und geistesgegenwärtig. Je ruhiger und gefestigter die begleitenden Angehörigen sind, desto leichter wird der Übergang für den Sterbenden, weil er dann in den Erfahrungen des Übergangs ebenfalls ruhiger und gefestigter ist. Gehe auf ihn ein und öffnet euch füreinander2.
Untersuchungen bieten einen Hinweis darauf, dass der Sterbende eher als die Familie bereit ist, den Tod anzunehmen, darüber zu reden. So ist es häufig die Familie, welche diese Situation nicht akzeptieren will. Schmitz-Scherzer bemerkt dazu: "Angst beeinflusst das Erleben und Verhalten vieler Angehöriger, besonders, wenn sie sich unvorbereitet in der Rolle eines Begleiters sterbender oder schwerkranker Verwandter, Freunde oder Bekannter finden." Nach Lehr reichen die unterschiedlichen Versuche, mit dieser Angst fertig zu werden, von Leugnung, Überkontrolle der eigenen Emotionalität bis zu hektischer Aktivität und Betriebsamkeit.
Es ist für den Sterbenden wichtig, nicht mehr über Vergangenes, über Verfehlungen und Sorgen nachzudenken und an ihnen zu haften, sondern in Ruhe das ganze Leben hinter sich zu lassen. Sollte er jedoch sein Herz ausschütten, von seinen tiefsten Ängsten und Sorgen erzählen wollen, sollte man dies unbedingt zulassen, ohne Vorwürfe Zuhören und sich nicht davor fürchten. Zur geistigen Reinigung, zum Abschließen einer Lebensbeichte, könnte man mit einem gemeinsamen Gebet Gott und die Betroffenen in Reue um Verzeihung bitten und Letzteren - wenn möglich - später eine entsprechende Nachricht zukommen lassen. Sind die Betroffenen anwesend, sollten beide Seiten ihre Standpunkte ruhig darlegen, dann eine Weile schweigen und sich dann verzeihen [Lit 83].
Ingrisch bemerkt: "Ihr müsst mit den Sterbenden lachen und weinen! Beides, denn das Sterben ist tragisch und komisch zugleich. Aber das Weinen wird verdrängt und das Lachen verweigert. Nicht einmal Du weißt, wie einsam ein Sterbender ist." [Lit 133]
Aber auch dem nicht mehr ansprechbaren Sterbenden kann man seinen Weg erleichtern, indem man freundlich und besonnen auf ihn eingeht. Dies kann über Berührungen, Streicheln und freundliches, positives Reden erfolgen. Sei einfach da und zeige dies. Wesentlich ist daher, dass jede dargebotene Hilfe von Offenheit, Mitgefühl und unendlicher Güte getragen ist, andernfalls würde dem Sterbenden der Übergang erschwert statt erleichtert [Lit 83]. Freundlich erleuchtet muss man also sein, um anderen eine Hilfe zu sein. Je weniger man sich in das Leid des anderen verstrickt, desto besser. Mitgefühl im Sinne der buddhistischen Definition3 ist jedoch die Grundlage für jede Hilfe an Anderen.
Wenn man einem Sterbenden helfen möchte, ist es unvermeidlich, selbst den Tod als solchen zu akzeptieren, um dann dem Sterbenden zur Annahme des bevorstehenden Todes zu verhelfen. Das nicht plötzliche Sterben führt in seiner letzten Phase zur Orientierungslosigkeit, zur vollständigen Hilfsbedürftigkeit. Hierauf sollten alle Familienmitglieder und betreuende Nahestehende eingestellt sein. Die Angehörigen könnten zur Unterstützung mit einer Hospizbewegung zusammenarbeiten [Lit 83].
Akzeptiere also den üblichen Verlauf des immer schwächer Werdens, wozu auch gehört, dass der in einem natürlichen Sterbeprozess befindliche alte Mensch nicht durch besorgte Angehörige in ein Krankenhaus verfrachtet und mangels einer anderslautenden Patientenverfügung dort zwangsernährt wird. Denn wenigstens in Deutschland sind die Ärzte im Krankenhaus per Gesetz dazu verpflichtet, umfangreiche lebenserhaltende Maßnahmen einzuleiten. Die diesen folgende, manchmal monate- oder jahrelange Qual des Sterbenden kann nur durch eine in der Form nicht anfechtbare Patientenverfügung oder aber durch einen erfahrenen betreuenden Hausarzt vermieden werden, der schon aus seiner Beurteilung der Chancen einer Genesung heraus gegen die Verbringung des Sterbenden in ein Krankenhaus plädieren wird.
Auch sollte man es unterlassen, dem im Sterbeprozess Befindlichen das Bewusstsein dämpfende Medikamente zu geben - diese könnten seinen Werdegang in der geistigen Welt erheblich beeinträchtigen, weil diese Dämpfung auch nach dem Ableben des physischen Körpers solange erhalten bliebe, bis der Betroffene zu der Erkenntnis gelangt, dass mit dem Ablegen des physischen Körpers auch alle mit diesem einhergehenden Beschränkungen abgefallen sind4. Dies kann insbesondere nach schwerer Krankheit lange dauern. Ich verweise hierzu auf das Kapitel 'Auswirkung von Alkohol und Drogen auf Aktivitäten in der geistigen Welt' im Band 4. Der unter Vollnarkose eingetretene Tod ist dagegen völlig unproblematisch.
Aber selbst so mancher Hausarzt, der den nun im Sterben Liegenden schon seit langer Zeit betreut, kommt möglicherweise an seine mentalen Grenzen, wenn es um eine Sterbebetreuung geht. Mir ist ein Fall bekannt, in dem der Hausarzt es zunächst ablehnte, seine achtundachtzigjährige Patientin nach einem seit fast dreißig Jahren bestehenden ungetrübten Vertrauensverhältnis weiter zu behandeln, weil die Angehörigen frühzeitig - wenn auch ungeschickt - versuchten, dieses Thema anzusprechen. Er sprach von psychischer Überforderung und meinte möglicherweise eine Furcht vor Regressansprüchen. So wie ein anderer Hausarzt ein Kind mit einer Zerrung im Bein an einen Spezialisten überwies, nachdem dessen Vater monierte, dass die verschriebene Heilsalbe dem Beipackzettel zufolge für Kinder ungeeignet war. Er wollte nur eine andere Salbe - und bekam einen anderen Arzt.
Den von dem Liedermacher Reinhard Mey besungenen fürsorglichen Dr. Berenthal gibt es nicht mehr. Deshalb können wir heute von Ärzten nicht mehr erwarten als von jedem anderen Handwerker, könnten also gleich weiterziehen, wenn ein Mediziner nicht seinen Anteil der Verantwortung zu tragen bereit ist. Wir leben spätestens seit der Zulassung privater Fernsehsender in einer Spaßgesellschaft, in der einem Jeden unablässig vor Augen gehalten wird, wie altmodisch und lästig Verantwortung, Integrität und Loyalität ist. Dies färbt auch auf Mediziner ab, denn sie bewegen sich nicht in einem abgeschotteten Universum, sondern unterliegen den gleichen gesellschaftlichen Einflüssen wie jeder andere auch. Schrauben wir also unsere Erwartungen zurück und sehen auch Ärzte als das, was wir ebenfalls sind: Mehr oder minder stabile Menschen, die Tag für Tag einer erheblichen psychischen Belastung und einem enormen Arbeitsdruck unterliegen.
Es ist von großem Nutzen für den im Übergang des physischen Todes Befindlichen, wenn der Leichnam nicht zu schnell weggeschafft wird. Wenn möglich, sollte er vierundzwanzig Stunden nach Eintritt des Todes am Sterbeort verbleiben. Bei einem nicht glatten Verlauf kann der Betroffene hierüber leichter seine Situation verstehen [Buddhismus, Wickland, Meek]. Es empfiehlt sich, dieses rechtzeitig mit anderen Angehörigen und gegebenenfalls dem Krankenhaus zu klären.
Wie schon betont, ist es eine weitere große Hilfe für den Sterbenden, wenn die Angehörigen so gelassen und positiv als möglich gestimmt sind. Selbst in Heiterkeit kann man vollumfänglich Respekt vor dem Übergehenden ausdrücken. Für Gelassenheit und Heiterkeit besteht durchaus Anlass, wenn man berücksichtigt, dass man zwar von dem Verstorbenen physisch getrennt ist, dieser jedoch von Not und Krankheit befreit in eine ungleich bessere Welt aufsteigen kann und ihm dieses erleichtert wird, wenn er nicht von stark trauernden Angehörigen festgehalten wird. Denn was möchten wir machen, wenn neben uns ein Nahestehender verzweifelt ist und weint? Wir gehen nicht weg, überlegen und versuchen, irgendwie zu helfen. Doch diese Anhaftung wäre für den Verstorbenen in seinen Auswirkungen verhängnisvoll. Ähnliches gilt nach Meek für die üble Nachrede [Lit 123].
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