Das Tibetische Totenbuch beschreibt ganz gut, welche Bewusstseinszustände zu welcher Art Projektionen führen. Ich formuliere dies im Folgenden in Anweisungen um, da zum einen vermutlich jeder Leser diese Umwandlung in seinen Gedanken ohnehin vollführen würde. Zum anderen unterliegen die Buddhisten grundsätzlichen Irrtümern, so kann ich Falschheiten auslassen und noch etwas ergänzen.
Im Gegensatz zur Annahme der Buddhisten ist beispielsweise Dankbarkeit auf die Existenz des Ich durchaus vorteilhaft. Wie soll sich ein Individuum an der kollektiven Leistung seiner Existenz erfreuen, wenn es fälschlich verinnerlicht hat, dass es nur durch Selbstverleugnung, Verzicht und spartanische Lebensführung Befreiung erreichen könnte. Roberts (Seth) dazu:
"[...] weil diese Welt ist und ich in ihr lebendig bin, ist sie mehr als ein äußerliches Phänomen, mehr als eine Fessel, die es abzuwerfen gilt. Es ist ein Privileg, hier zu sein, aus diesen ganz eigenen Augen mit diesem so einzigartigen Fokus hinauszublicken [...] Liebe und hege die Geschenke der Götter. Sei nicht so ängstlich begierig, ihnen deine Individualität vor die Füße zu werfen und ihnen entgegenzuschleudern: 'Ich habe mich und meine Individualität satt, sie nerven mich zu Tode, sie sind mir eine Bürde' [...] Trage deine Individualität mit Stolz." [Lit 191]
Das Folgende zeigt also auf, was ein glattes Durchlaufen der Orientierungsphase fördert:
Wickland [Lit 84] rät, ebenfalls von mir präzisiert:
Fazit: Wer nur sich selbst in den Mittelpunkt stellt und
der sitzt in dieser Phase des Übergangs in der Falle des eigenen Bewusstseins, in der es nicht weitergeht.
Je größer der Widerstand gegen Inhalte von Projektionen wird, desto bedrückender werden die vom Bewusstsein selbst geschaffenen Szenen. Desto mehr versuchen dessen bislang und weiterhin unterdrückten Energieblöcke sich auszudrücken - zu Lebzeiten beispielsweise über Krankheitssymptome oder Poltergeist-Erscheinungen, posthum über vollständige geistige Projektionen oder Anteile an Projektionen.
Wer unablässig mit sich selbst beschäftigt ist und folglich nicht offen ist für das, was jetzt ansteht, braucht erheblich länger für das Durchlaufen der Orientierungsphase. Auch wenn man sich weiterhin physisch existent wähnt, kann man nicht akzeptieren, verstorben zu sein. In einer solchen mentalen Konfusion gehen viele für Jahrzehnte, Jahrhunderte oder noch länger im unteren Bereich der geistigen Energieschicht II verloren. Dies ist kein Widerspruch zu dem erwähnten 'über der Zeit' stehen, da diese Identitäten beharrlich ihren Wachbewusstseins-Anteil dominieren lassen und sich der reellen Zeit des physischen Universums unterworfen wähnen. Sie sind sich in keiner Weise der erweiterten Möglichkeiten ihres Geistes bewusst, nutzen sie daher nicht. Das Wissen hierum wäre bereits eine hilfreiche spirituelle Erkenntnis und würde Verengungen reduzieren.
Das Tibetische Totenbuch empfiehlt dem Betroffenen, sich in der geistigen Welt nicht von trügerischen Erscheinungen ablenken zu lassen, die ihm sein eigenes Bewusstsein vorgaukelt. Das Selbst ist nicht mehr verletzlich. Auch nach Zammit und Monroe kann niemand den Geist, die Seele, das Bewusstsein einer Identität verletzen - weder zu Lebzeiten, noch posthum. Diese Selbstsicherheit ist vielen Menschen jedoch verloren gegangen. Jakoby zitiert C.G. Jung mit den Worten:
"Jeder krankt in letzter Linie daran, dass er das verloren hat, was lebendige Religion1 ihren Gläubigen zu allen Zeiten gegeben hat, und keiner ist wirklich geheilt, der seine religiöse Einstellung nicht wieder erreicht, was mit Konfession oder Zugehörigkeit zu einer Kirche nichts zu tun hat."
Doch obacht - denn jede Religion verzerrt in ihren Annahmen die tieferen Zusammenhänge dessen, was ist. So warnt Roberts:
"Die Wissenschaft hat die Neigung, zu einer weiteren Religion zu werden, wenn sie es nicht schon geworden ist. Die Verzerrung durch Wissenschaft und Religion sind wahrhaft katastrophal. Jeglicher Fanatismus ist verwerflich und morbide, ein-seitig und beschränkend, und er verursacht ein alarmierendes, explosives und gefährliches Schrumpfen des Fokus." [Lit 191]
Wer sich seiner selbst sicher ist, kann leichter Vinzenz v. Paul folgen:
"Glücklich, die den kurzen Augenblick auf Erden nutzen, um Erbarmen zu üben."
Unwissenheit, Ängste, zwanghafte Bindungen an Personen, Orte und Glaubensgrundsätze, unvollendete Geschäfte, Rachsucht und Sucht in jeder Form sind nach Fiore die häufigsten Gründe, weshalb physisch Verstorbene in der Orientierungsphase für lange Zeit feststecken.
Oder anders formuliert, immer dann,
sind sie nach Zammit, Monroe und Meek in ihren Gedankenkonstruktionen gefangen, wo sie anders als im physischen Leben nur unter Ihresgleichen sein können, wenn nicht ganz allein. Diese Phase, in welcher das Bewusstsein in selbst erschaffenen Projektionen versinkt, kann nach Ingrisch als verschieden tiefe Trance erlebt werden.
Wie wir noch sehen werden, spielen sich auch die nächtlichen Träume der Lebenden auf dieser geistigen Energieschicht II ab (vgl. Bd.4). Die in der Orientierungsphase des Übergangs erlebten Projektionen sind nichts anderes als phantasiebasierte Träume eines nicht loslassen könnenden oder wollenden Wachbewusstseins. Dessen Bilder und Landschaften ähneln hypnagogischen Halluzinationen. Diese treten im Leben an der Grenze zum Einschlafen auf, seltener vor dem Aufwachen und beinhalten ein übertriebenes Maß an Realismus - beispielsweise sind alle Farben verstärkt.
Sobald man nun in der Orientierungsphase eine Projektion als solche erkannt hat, kann man sich von ihren Inhalten befreien, so wie man schon zu Lebzeiten einen Traum verändern oder verlassen kann, wenn man sich des Träumens bewusst geworden ist. Das Träumen kann also ein kurzer Abschnitt sein oder auch ganz ausbleiben, je nach seelischer Verfassung.
Es ist tröstlich, dass der menschliche Geist auch dank der Hypothesen der Physik diese Erfahrungen mehr und mehr einordnen kann. Denn wenn es selbst jenseits des Physischen noch Naturgesetze gibt, wenngleich auch nicht die uns vertrauten, und wir noch unverändert denken können, haben wir eine Zukunft. Schopenhauer sagte hierzu:
"Jedem sagt ein sicheres Gefühl, dass in ihm etwas schlechthin Unvergängliches und Unzerstörbares sei. Sogar das Frische und Lebhafte der Erinnerungen aus der fernsten Kindheit zeugen davon, dass irgendetwas in uns sich nicht mit der Zeit fortbewegt, nicht altert, sondern unverändert beharrt [...] Man könnte alle Todesfurcht zurückführen auf einen Mangel an derjenigen natürlichen, daher auch bloß gefühlten Metaphysik, vermöge welcher der Mensch die Gewissheit in sich trägt, dass er in allen, ja in allem ebensowohl existiert wie in seiner eigenen Person, deren Tod ihm daher wenig anhaben kann."
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